Mittwoch, 16. September 2009

90% vs. 10% - oder wie ein Morgenmuffel die Krankenschwestern verabscheut

Einmal die Woche befinde ich mich schon ab morgens um 6:40 Uhr unter den Lebenden. Wobei – lebend ist ein bisschen übertrieben. Es handelt sich um einen relativ kritischen Zustand und ich bin froh, wenn das auch bei meinen Mitmenschen der Fall ist.

In einer durchschnittlichen S-Bahn, in einem durchschnittlichen Wagen der 2. Klasse, zu einer durchschnittlich frühen Morgenstunde, sind 90% der Mitfahrenden in demselben kritischen Zustand wie ich. 10% befinden sich in einem noch viel kritischeren Zustand. Sie gehören nämlich zur Sektion der Krankenschwestern. Auch wenn sie in Anzug und Krawatte von Bernies oder Kordhosen und T-Shirt von H&M oder Jeans und Glitzertop von Chicoré gekleidet sind – insgeheim tragen sie alle einen weissen Kittel und ein kleines Häubchen.


Ich benutze das Wort Krankenschwester natürlich absolut klischeehaft. Krankenschwestern sind ja ein Mythos, wir assoziieren sie automatisch mit Fürsorglichkeit, Nettigkeit, einer wahnsinnig fröhlichen Stimme und einem fehlenden „Ich“, denn es gibt sie nur im Doppelpack mit ihren Patienten, als „Wir“. Natürlich sind diese Assoziationen möglich, jedoch keinesfalls notwendig. Trotzdem lasse ich mich auf diesen Alltagsmythos ein, wie auch auf viele andere. Ich weiss nicht, ob ich es anders wollen würde. Denn Alltagsmythen bieten uns nicht nur eine Orientierungshilfe. Kulturen sind derart von Mythen durchzogen, dass wir uns ohne sie möglicherweise gar nicht Kultur nennen könnten.





Naja zurück zum Thema: Gestern befand ich mich also in aller Herrgottsfrühe in einem warmen Nest namens Wagon, eingebettet (oder auch eingeklemmt) zwischen schweigenden Gleichgesinnten. Ich fühlte mich noch wie mein Laptop auf Standby und wartete darauf, dass das Koffein endlich in meine Blutbahn gelangt um dort einen Neustart vollzuführen.

Lange bevor dieser Moment erreicht wurde fuhr der Zug in Killwangen-Spreitenbach ein. Es stiegen die Zehnprozentigen ein. Die waren nicht nur schon neugestartet, nein, sie hatten schon ein ganzes Update hinter sich, eine vollständige Systemprüfung und waren an einer Steckdose angeschlossen. Manche von ihnen wirkten sogar, als hätten sie gerade eine neue Grafikkarte eingelegt bekommen – so munter, frisch und klar blickten die schon drein. Und sahen auch so aus.

Die Zehnprozentigen sind immer wie Frauen, auch wenn sie Männer sind, denn sie schwatzen unheimlich gerne. Sie reden nicht einfach, nein, sie schwatzen und plaudern über lauter unwichtige Dinge, die man sowieso nicht besprechen muss und wenn, dann ganz sicher nicht zu diesem Zeitpunkt.

Ihre Laute missbrauchten mein Trommelfell als Stecknadelkissen. Ich mochte aber keine Stecknadelkissen als Ohren haben und versuchte mich mit ruhiger Musik zu beruhigen. Irgendwann stellte ich resigniert fest, dass weder MPB (Bsp.) noch Mozart etwas gegen die Zehnprozentigen ausrichten konnten. In dieser Situation bleibt einem nix anderes mehr übrig als sich selbst das anzutun, was ich den Zehnprozentigen gerne mittels einem Ghettoblaster antun würde: Sich mit Electropop volldröhnen – so laut, dass mein Nachbar den Bass durch die Sitzbank spüren kann. So laut, dass die Zehnprozentigen auch mal wüssten, wie es ist, wenn man Stecknadelkissen als Ohren hat.

Montag, 7. September 2009

Was immer ich will

Obwohl ich kein Blogger bin, kann ich jederzeit über alles bloggen, was ich nur will. Die Konsequenzen trage ich natürlich selbst, aber sie sind gering, da fast niemand weiss, wer ich bin. Dies ist kein Vorwort zu einer skandalösen Insiderneuigkeit oder einem Geständnis. Das kommt vielleicht später einmal. Vorerst schöpfe ich aus der Bloggerfreiheit, über jeden Mist, den niemanden interessiert zu schreiben:

  • Heute unter formellen Umständen Person X getroffen, von der man weiss, wer sie ist, wenn man in Z wohnt und sich für Y interessiert. (X, Y, Z = ?) Herausgefunden, dass X vor Jahren an einem Schullager teilnahm, an welchem auch ich teilnahm. Erinnerung an dieses sehr unkonventionelle Lager, unter dem Motto der Ureinwohner Amerikas. Erinnerung daran, dass ein Schweizer, welcher sich - aufgrund von jahrelangem Zusammenleben - mit den Ureinwohnern sehr verbunden fühlte, das Lager mitleitete, inspirierte. Und zwar dazu, eine Schwitzhütte zu bauen und zu erleben. Nackt. Bis die Schulleitung eingriff.
  • Keine Agenda des Jahres 2009 mehr gefunden. (Alle Verkäuferinnen der Stadt Z wissen jetzt, wie der/die BloggerIn dieses Blogs aussieht.)
  • Ein Tipp: "Black Women. Neue Literatur aus Afrika", Herausgegeben von Ivonne Vera, Lamuv Verlag, 2001. Kostprobe:

"Worte können dich in die Falle locken. Du musst deine Schritte vorsichtig setzen, besonders bei denen, die sie achtlos aus ihren Mündern fallen lassen und nichts wissen über den Wert des Schweigens während einer Unterhaltung. Diejenigen, die nicht innehalten, wenn sie sprechen, sind meist diejenigen, die versuchen, dich einzufangen, und wollen nicht hören, was du zu sagen hast, nur weil es ihren Wasserfall eindämmen könnte, bevor du weggeschwemmt bist. Nimm dich in Acht. Babamukuru kam eines Abends ohne Vorankündigung bei mir vorbei und fing schon an zu reden, bevor ich überhaupt die Tür ganz geöffnet hatte. Alles, was ich weiss, ist, dass ich gleich darauf in einem schnellen, eilig fliessenden Strom in eine donnernde Welle getragen wurde, bis ich zu einem ruhigen See kam und ans Ufer gespült wurde, nur um festzustellen, dass ich in seinem Haus Ambuya gegenüber sass, die den ganzen Weg von Gwanda herübergekommen war, um mich mit ihrer Meinung wegzuspülen. "Warum, mein Kind, hast du das meinem Sohn angetan?"


Die Wörter über Flüsse von Wörtern wurden übrigens dort gekauft, wo man in Z hingehen sollte, wenn man sich für Y interessiert.

Dies ist ein Rätsel. Wenn man es so will. Allerdings kein logisches und kein lösbares. Ausser man kennt mich. Oder Z. Oder Y. Oder X. Oder ist Verkäuferin in Z. Aber nicht einmal dann muss es lösbar sein.